Man sagt, bei den Griechen geschah der Übergang vom Mythos zum Logos. Sie brachten uns das Argument, und
das führte zum katastrophalen Einfluss der Sophisten. Die Wahrheit und die
Gefolgschaft gehörte dem, der die besseren Argumente hatte. Wie bei den heutigen
Motivationstrainern wurden die Leute gegen Geld unterrichtet, in welcher Weise man durch Reden
und Argumentieren Einfluss auf die Politik und Gesellschaft nehmen kann (Text nach Keller).
Der berühmteste war Protagoras. Berühmt die Geschichte mit seinem Schüler
Euathlon, der kein Geld für den Redekurs hatte und mit Protagoras abmachte,
dass er ihn nach dem ersten gewonnenen Prozess bezahlen würde. Euathlon blieb aber als Müßiggänger untätig. Deshalb verklagte ihn Protagoras mit dem Argument:
"Wenn ich gewinne, musst du bezahlen, weil ich den Prozess gewonnen
habe, wenn ich verliere musst du bezahlen, weil du den Prozess gewonnen
hast".
"Ganz im Gegenteil", meinte Euathlon, "wenn ich verliere, muss
ich nicht bezahlen, weil ich verloren habe, wenn ich gewinne, muss ich nicht
bezahlen, weil ich gewonnen habe". Parallelen sind aus dem Gerichtssaal
oder aus der Diskussion zwischen Politikern bekannt: Alle reden vom gleichen
aber nicht vom selben. Das "weise" Volk jubelt dem zu, der den anderen
besser in die Pfanne hauen kann. Von dieser Art der Diskussionsführung (Eristik) setzt sich das platonische Konzept der Dialektik ab: die Suche nach einer verlässlichen Antwort auf Fragen, Probleme und gefertigte Aussagen.
Es gibt keine Instanz oder Gruppe, die politische Standpunkte übergeordnet auf
ihre Inhalte analysiert. Heutige Philosophen geben das Bild von Statisten ab, die das Gebiet besetzen, ohne gegenwartsbezogen Hilfreiches zur Systemanalyse beizutragen und, euphemestisch gesinnt, mit Platon und
Aristoteles auf eine bessere Welt hoffen. Diese waren nach derzeit landläufiger Meinung von Kritikern (Bacon de Verulamio, Keller, Rorty, Wollschläger) nicht unumstritten wie Prototypen für Machtmenschen, die auf ihrem Einfluss bestehen und kontrakonzeptionelles
Gedankengut bekämpfen. Institutionen werden von Personen geschaffen, bedient und gefüttert. Der Einzelne wird als Mitglied der Gesellschaft von diesen manipuliert. Da eine Institution nicht zielgerichtet agiert, fehlen ihr Intention, bewußtes Planen, Korrektur von Strategie und Kritikfähigkeit sowie für die Selbstgestaltung notwendige Unabhängigkeit (Mary Douglas, Oxford-Princeton). Beispiel: Bußgeldbescheid der brasilianischen Einwanderungsbehörde an die Fluggesellschaft Alitalia wegen Fehlens des Reisepasses vom Papst anläßlich seines offiziellen Besuches in Brasilien (FAZ Nr.203, 1.Sept.2007). Ein vergnügliches Beispiel für Behördenunsinn zeigt das Movie "Terminal" (2004). Beim Vorbereiten und Treffen von Entscheidungen sind ethische Prinzipien involviert: dies können vernuftgemäß nicht die Institutionen, sondern nur Individuen. Folglich ist z.B. die Rechtsprechung nicht objektivierbar. In der Schlußfolgerung seiner Studie über 'Ideologie und Sachzwang' legt der Sozialphilosoph Wolfram Burisch (1967) dar, dass sogenannte Sachgesetzlichkeiten Zweck-Erfindungen seien, Zuständliches als unantastbar erscheinen zu lassen. Die Ernst-Bloch-Schule, der er angehörte, hat in diesem Kontext auf die zwanghafte Werte-Veränderung der Arbeitswelt durch die fortschreitende Technik, Informatik, Robotik und Virtualisierung hingewiesen. Obwohl diese Problematik in der Welt des Managements und der Arbeitnehmervertretung sowie der frei- und unfreiwillig Selbständigen offen zutage liegt, hat sie noch nicht den ihr gebührenden Stellenwert der weltbewegenden Themen erhalten. Zeit bedeutet Ablauf von Ereignissen, die sowohl für Arbeit als auch für Freizeit gleichwertig, emanzipatorisch und nicht manipulatorisch sein sollen.
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