Ben Jacob wollte herausbekommen, wie erfinderisch der Prozeß
der Neugestaltung des Genoms wirklich ist. Haben Bakterien in Not nur
vorfabrizierte DNA- Spiralen eingebaut und sind sie zu alten Strategien
zurückgekehrt? Oder konnten sie selbständig ganz neue Lösungen entwickeln? Der israelische
Physiker, der sich der Mikrobiologie zugewandt hat, erklärt, wie er den
Kreativitätstest für die Mikroben angelegt hat: "Wir versuchten,
Bakterienkolonien neuartigen Bedingungen auszusetzen, denen sie niemals zuvor
begegnet waren. Es waren Bedingungen, bei denen es um Leben und Tod ging.
Wir wollten wissen, wie erfinderisch sie beim Umbau ihres genetischen Codes
sein können. Wir nahmen beispielsweise Bakterien, die sich auf Agar nicht
bewegen konnten, wohl aber dazu fähig waren, in einer Flüssigkeit frei
umherzuwandern. Wir setzten sie in Agar, in die Wildnis ihrer schlimmsten
Alpträume, und entzogen ihnen Nährstoffe. Die Notwendigkeit, sich durch eine
Suche nach günstigerem Land auszubreiten, war eine kreative
Herausforderung."
Beispiel Paenibacillus dendritiformis-Kultur unter Stress, Photo von Ben Jacob & Gutnick.
Durch die Bildung eines modularen
Netzwerks, das die Kapazitäten eines Supercomputers überschreitet, und
durch die Veränderung ihres Genoms in ihrem Inneren
konnten die in Massen auftretenden Experimentiergruppen das Problem lösen.Hinter der reinen Vernetzung beginnt eine weitere
futuristische Vision: die des globalen Gehirns. Auch
hier haben die Mikroben die Menschheit weit hinter sich gelassen. Bakterien und
ihre häufigsten Feinde, die Viren, beherrschen schon längst den weltweiten
Austausch von Informationen. Beide nehmen Schnipsel genetischen Materials,
ähnlich wie Menschen mit Selbstanleitungsbüchern arbeiten. Dieses System der
molekularen Unterhaltung ermöglicht es den Mikroorganismen, eine Verbesserung
von Kontinent zu Kontinent zu telegraphieren. Die Art und Geschwindigkeit der
Kommunikation kann erstaunlich sein.
Birgit Alexandra Huber hat molekularbiologisch die Entdeckung, dass Bakterien in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren, untersucht und konnte das lange vorherrschende Trugbild von bakteriellen Populationen als Ansammlungen von isolierten einzelzelligen Organismen korrigieren. Prokaryoten interagieren miteinander mittels kleiner diffusionsfähiger Moleküle, die zur Ko- ordination der Expression von bestimmten Genen genutzt werden. Die Auslösung in Abhängigkeit von der Populationsdichte wird als 'Quorum sensing' (QS) bezeichnet, wobei das 'Quorum' als die kleinste Einheit definiert ist, die zu koordinier- ten Aktionen in der Lage ist (Fuqua et al., 1994). Bei Gram-negativen Bakterien am weitesten verbreitet sind Kommunikationssysteme, die N-Acyl-L-Homoserinlactone (AHL) als Botenstoffe einsetzen. Das REM-Photo (H. Aldrich, MSU, 1999) zeigt einen Bakterien-Biofilm.
In ihrer natürlichen Umgebung leben die meisten Bakterien als sogenannte Biofilme - d.s. Oberflächen-assoziierte vielzellige Gemeinschaften mit einer geordneten Struktur, die in eine Matrix aus extrazellulären polymeren Substanzen (EPS) eingebettet sind. Man geht heute davon aus, dass die im Labor zumeist untersuchte planktonische Lebensweise in der Natur lediglich dazu dient, von einer Oberfläche zu einer anderen zu gelangen. Diese Erkenntnis ist von enormer Bedeutung, da sich die Physiologie Oberflächen-assoziierter Bakterien grund- legend von der planktonischer Zellen unterscheidet. Im medizinischen Bereich besonders bedeutsam ist die drastisch erhöhte Resistenz von Biofilmen gegen die Antibiotika und die Immunabwehr.
Die Bildung von Biofilmen durch Bakterien ist die Ursache vieler chronischer Infektionen. Die beiden opportunistisch pathogenen Bakterien Burkholderia cepacia und Pseudomonas aeruginosa bilden oft gemischte Biofilme in den Lungen von Personen, die an zystischer Fibrose (CF) leiden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass in gemischten Biofilmen aus B. cepacia und P. aeruginosa auch artübergreifende Kommunikation stattfindet. Da 'Quorum sensing' von beiden Arten auch zur Regulation der Expression von Virulenzfaktoren genutzt wird, kann dieser Vorgang die Pathogenität des gemischten Zellverbundes entscheidend beeinflussen.
ALTHOUSE & LU (2005) weisen auf die zusätzliche
Mitbeteiligung von Quorum-sensing- Komponenten zur Regulation des
bakteriellen Wachstums in der stationären Phase hin. Diese Art der chemischen Kommunikation zur
Zählung ihrer Artgenossen bei Bakterien ist seit 1992 bekannt. Der entlehnte Begriff
"Quorum" bezeichnet im römischen Recht die Mindestzahl von Teilnehmern, die
eine Versammlung zur Beschlussfähigkeit benötigt. Durch Abgabe von Signalstoffen ins
umgebende Medium und der Konzentrationsmessung dieses Stoffes im Medium über ihre
spezifischen Rezeptoren stellen Bakterien fest, ob eine genügende Anzahl vorhanden ist, um
eine kollektive Handlung durchzuführen, z.B. eine Biofilmschutzhülle oder ein Toxin zu
produzieren (Text von A. Weyand,
2005). In der Anfangsphase einer bakteriellen Vermehrung sind die
Abwehrzellen des Wirts noch in der Überzahl
und würden durch eine Toxinproduktion der Bakterien leicht auf diese
aufmerksam. Die Mikroben werden sich in dieser Situation mit
Gemeinschaftsaktionen gegen den Wirtsorganismus zurückhalten. Der schon
1983 aus Japan gemeldete antagonistisch wirkende Effekt von
Makrolid-Präparaten auf die Verbandsaktivitäten von Pseudomonaden im
Lungengewebe ist hinsichtlich einer Empfehlung für eine
Langzeittherapie von Mukoviszidosen (CF) noch nicht validiert.
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